Yvette Reinberger - Führung

Ein eisiger Perspektivwechsel

Das Thermometer zeigt einen Wert jenseits des Gefrierpunkts und ich stehe am Ufer des Bodensees. Der Nordostwind, auch Bise genannt, lässt die Gischt über die Kaimauer springen und im selben Moment zu Eis erstarren. Die Seepromenade wirkt wie mit feinem Zuckerguss überzogen.In dieses Szenario habe ich einen CEO mit seinem oberen Kader eingeladen. Ausgerechnet hier versuche ich diesen Menschen etwas über den Unterschied zwischen Kommunizieren und im Dialog sein zu erzählen. Und was Atmung mit der ganzen Sache zu tun hat. Meint ihr, ich war erfolgreich oder haben sie mich allein in der Kälte stehen lassen?  Bevor ihr diese Frage beantwortet, denkt immer daran: Die Natur ist ein beeindruckender Coach und eröffnet Menschen neue Perspektiven, auch Anzugträgern. 

 

Schockstarre oder Wow-Moment

 

FullSizeRender_(10).jpegDie frühlingshaften Temperaturen, die im Moment herrschen, helfen euch vermutlich nicht, euch dieses Szenario vorzustellen, aber lasst euch sagen: Nein, sie haben mich nicht stehen lassen. Und ich stand natürlich auch nicht nur da und habe versucht einen Vortrag zu halten, sondern ich habe mir die Natur als Coach mit ins Boot geholt. In einer sogenannten unternehmerischen Biografie-Wanderung konnten diese Alphatiere weder etwas ihrer Assistentin delegieren noch ihre Telefone und Laptops für eine Präsentation nutzen, sondern Schnee, Eis, Sand und alles, was die Natur zur Verfügung stellte. In ihrem Unternehmen herrschte zu dem Zeitpunkt ebenfalls eine Art Eiszeit – die Prozesse flossen einfach nicht mehr so richtig. Mit den winterlichen Hilfsmitteln sollten sie darstellen, was der Zweck und Ursprung des eigenen Unternehmens eigentlich ist. Einfach mal wieder analog ran gehen kann ungemein hilfreich sein, einen neuen Blick aufs Unternehmen zu gewinnen. Denn nach einer gewissen Zeit stellt sich Déformation professionnelle, die sogenannte Betriebsblindheit ein und um Licht ins Dunkel zu bringen, kann ein Gang nach draussen Wunder bewirken.Hier können die Teilnehmer an jedem Eiszapfen, an jedem Baum sehen, dass alles im stetigen Wandel ist. Durch die Sonne wird Eis wieder zu Wasser und es ist etwas vollkommen Natürliches. Wenn aus so etwas negativ konnotiertem wie Kälte und Eis durch blosse Wärmeinwirkung Wasser werden kann, dann kann auch ein Unternehmen seine wirtschaftliche Eiszeit hinter sich lassen und sich auf eine neue Blütezeit einstellen.

 

Wenn der Atem sichtbar wird

 

Um verkopfte Menschen dazu zu bringen, den eigenen Horizont zu erweitern, muss ich gelegentlich erfinderisch werden. Da schlage ich eine Brücke über die Natur als Wunder. Der Mensch ist ein Teil der Natur und somit auch der Atem. Aber so einfach bringe ich Hardliner wie einen Firmen-CEO nicht dazu, sich mit seiner Atmung auseinander zu setzen, schon gar nicht, wenn ich direkt über Atemtechniken et cetera spreche. Ich muss das etwas mehr verpacken. Als wir so in der Kälte unterwegs waren, konnten wir alle gut unseren Atem sehen. Bei den Brillenträger, die durch den Mund atmeten, beschlug die Brille. Und schon bieten sich Vorlagen, über die verrückte Natur zu sprechen. Wenn die Natur verrückt ist, sind wir dann nicht auch etwas verrückt? Und ehe sie sich versehen, sprechen sie mit mir über Atmung und Bewusstsein. Sie sind im Dialog – haben sich „verrückt“. Die Natur und ich haben sie hineingetrickst, eine neue Perspektive auf sich selbst einzunehmen. Es hat sich etwas verändert in der Selbstwahrnehmung und dem eigenen Mindset.Sie wurden sich bewusst: Atmen, im Dialog sein und Unternehmensentwicklung bilden eine zukunftstaugliche Triage!

 

Wetterumschwünge bringen nicht nur Kopfschmerzen

 

Die Natur lockt uns immer wieder in Situationen, in die wir uns unter normalen Umständen vielleicht nicht hinein begeben würden. Wenn wir nun aber in der Natur diese Situationen meistern, dann gibt es auch im Arbeitsalltag wenig, was uns den Atem raubt.Im Dialog zu sein lässt uns ins Handeln kommen und den nächsten Wetterumschwung – auch im Unternehmen – als Möglichkeit erkennen. Diese Möglichkeit kann dann auch Chance sein. Die Natur ist in stetigem Wandel und daraus entstehen neue Formen, Möglichkeiten, neues Leben. Ein Baumstumpf kann neue Triebe ausschlagen und kraftvoller Nährboden sein. In einem Unternehmen kann Wandel zu Innovation führen. 

 

Wir können bei der nächsten großen Veränderung einfach mal bewusst unsere Umgebung betrachten, eine neue Blickrichtung einnehmen um zu erkennen, was da wächst.

Wann euer Talent wirklich wertvoll ist

„Was könnt ihr wirklich gut? Ihr habt jetzt drei Minuten Zeit, drei Stationen in eurem Leben rauszusuchen und dann aufzuschreiben, welches Talent sich daraus entwickelt hat.“ So startete ich vor kurzem einen Workshop, der im Rahmen der Zürcher Kamingespräche stattfand – Talentspotting nenne ich diese Übung.


Von den Ergebnissen der jungen Teilnehmer war ich überwältigt. Denn es zeigte sich nicht nur wieder einmal, dass jeder Mensch bereichernde Fähigkeiten hat, sondern auch, dass die Teilnehmer des Workshops ihre Talente im besten Sinne nutzen.

 

Geteiltes Talent

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Da war zum Beispiel eine junge Frau, die eine Firma im Bereich Gewässerschutz gegründet hatte. Sie hatte nicht nur erkannt, dass sie das Talent hat, Ökonomie und Ökologie sinnstiftend zu verbinden, sie bringt ihre Fähigkeiten auch ins Gemeinwohl mit ein und schafft durch ihre Gründung etwas Wertvolles. Sie nutzt ihr Können, um einen Wandel mitzugestalten.
Und glaubt mir: Mit jedem Talent könnt ihr etwas Neues, etwas Erlebbares schaffen: ganz egal, ob ihr sportlich oder musisch begabt seid oder etwas anderes ganz besonders gut könnt, wie zum Beispiel in schwierigen Situationen die Ruhe zu bewahren. Denn ein geteiltes Talent ist viel wertvoller als eins, das ihr für euch behaltet.

 

Talentierte Lehrer gesucht

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Um eure Fähigkeiten sinnvoll einzusetzen, müsst ihr natürlich zuerst mal eure Talente kennen. Zu wissen, worin man richtig gut ist, ist gar nicht so einfach. Vor allem, weil zum Beispiel in der Schule hauptsächlich Auswendiglernen verlangt wird. So können sich Talente nur schwer entwickeln. Ich meine: Hier sind die richtigen Lehrer gefragt!

 

Das sind für mich Pädagogen, die ein ganz besonderes Talent haben, nämlich die Talente der Schüler zu erkennen.
Solche Lehrer sind für mich ein gutes Beispiel für einen wertvollen Umgang mit Talenten. Wenn sie ihre Schüler fesseln und für etwas begeistern können, setzen sie neue Impulse, die die Schüler lange prägen. Ich wünsche mir, dass das Bildungssystem die individuellen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler stärker in den Mittelpunkt rückt. Denn momentan sind die Kinder und Jugendlichen darauf angewiesen, dass sie talentierte Lehrer zugeteilt bekommen, die die Begabungen der einzelnen Schüler erkennen.

 

Ein Teil der Identität

 

Aber nicht nur Lehrer – jeder hat die Chance, neue Impulse zu setzen. Denn jeder hat ein ganz besonderes Talent. Jede Erfahrung, jedes Erlebnis prägt euch und stellt euch vor neue Herausforderungen. Wie ihr mit diesen umgeht und sie bewältigt, zeigt doch schon, was euch ausmacht.

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Unsere Talente sind also fest mit unserer Identität, unserem Menschsein verbunden. Und mit jedem Lebensjahr kommen neue Einblicke hinzu, die sich wie bei einem Mosaik – Steinchen für Steinchen – zu einem neuen Gesamtbild zusammensetzen. Ein Talent ist also nicht einfach da, es entwickelt sich mit jeder gemachten Erfahrung immer weiter.

 

Matchentscheidend ist allerdings nicht, welche Talente ein Mensch hat, sondern wie er sie einsetzt. Ich möchte euch ermutigen: Nehmt euch ein paar Minuten Zeit und spürt mal rein: Was könnt ihr besonders gut? Und wie könnt ihr eure Fähigkeiten nutzen, um etwas zum Positiven zu verändern?

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