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Wo wart ihr am 14. Juni? Ich war jedenfalls beim Coiffeur. Das allein wäre noch nicht so aufregend, aber an diesem Tag war bei uns in der Schweiz Frauenstreik. Vielleicht habt ihr in den Nachrichten davon gehört: Zehntausende Frauen sind auf die Straße gegangen, um für Gleichberechtigung zu demonstrieren. Ich aber nicht. Wärt ihr hingegangen?

Ich sass an diesem Tag also auf meinem Coiffeur-Sessel, den Kopf zum Waschen zurückgelegt, und während die Venus in mir gehätschelt wurde, habe ich überlegt, warum ich mich von diesem Streikaufruf so gar nicht angesprochen gefühlt habe …

 

Gender-Debatte? Frauenstreik! Hmmm …

Vielleicht liegt es daran – dachte ich zuerst –, dass ich selbst, wenn ich jemandem begegne, keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern mache. Ich begegne immer einem Menschen.

Aber dann bin ich zu dem Schluss gekommen, dass mein fehlendes Andocken daran liegen könnte, dass ich mich noch nie als Frau benachteiligt gefühlt habe. 

Für mich war schon immer klar, dass Männer und Frauen gleich sind, aber eben nicht dieselben. Übrigens nicht erst nachdem ich das Buch „Männer sind anders. Frauen auch. Männer sind vom Mars, Frauen sind von der Venus“ von John Gray gelesen hatte, obwohl … Ja ich gebe zu, ich war damals 20 und es hat mich inspiriert ;-)                           

Nein, wirklich, dick, dünn, schwarz, weiss, lang, kurz, oder wie auch immer … das alles war für mich nie ein Thema! Ich begegne Menschen auf Augenhöhe, da ist man (Frau auch) per se gleichberechtigt. Mit dieser Haltung gehe ich durchs Leben. 

Kann es sein, dass ich gerade deshalb keine ungerechte Behandlung erfahre?

Wer weiss? Vielleicht?!

Diese Frage finde ich tatsächlich spannend, denn das Thema kocht ja immer wieder hoch: Auch in meiner Mentee-Runde kam es auf den Tisch, weil einige der Studenten gerade an der Uni so ein Projekt mit der Benamselung laufen hatten: Piloten und Pilotinnen oder PilotInnen oder ganz anders? Und diese jungen Menschen waren sehr erstaunt, dass wir Mentoren sagten: „Das ist hier nicht der Punkt. Der Raum ist gar nicht aufgeladen damit. Hier geht es um Menschen und deren Talente, egal ob ihr jetzt Mann oder Frau seid. Und wenn ihr euch morgen zu einer Operation entschliesst, um das andere zu sein: egal.“

Und auch ganz objektiv gesehen, kann ich nur sagen: Für mich ist es die Haltung und die speist sich aus unserem Bewusstsein. Die Welt ist uns immer ein Spiegel. Die Lösung liegt in uns selbst.

 

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Ich kenne viele Unternehmer. Aber ich kenne keinen einzigen, der Frauen grundsätzlich weniger zahlt als Männern. Und kennt ihr einen Personalchef, der zweierlei Budgets verwaltet: eines für Frauen und eines für Männer? Ich nicht.

Das heißt nicht, dass es keine Frauen gibt, die für den gleichen Job weniger bekommen als ihre männlichen Kollegen. Das klingt vielleicht paradox, aber das ist es nicht. Meiner Erfahrung nach liegt die „Benachteiligung“ nicht daran, dass die Unternehmen den Frauen weniger bieten. Die Frauen haben das Gefühl, dass sie weniger verlangen müssen.

Das ist schon ein bisschen haarsträubend, aber Frauen kommen zu einem Vorstellungsgespräch meist mit weniger Selbstbewusstsein als Männer. Sie sind viel mehr zur Zurückhaltung erzogen. Sie glauben auch, dass sie als Frauen mehr leisten müssen, um das Gleiche wert zu sein. Also trauen sie sich nicht, viel zu fordern. Und – ganz ehrlich – da braucht sich doch keine Frau wundern, wenn der Personalchef ihr nicht sagt: „Ach, fordern Sie doch mehr.“ Der schlägt ein und freut sich. Und die Frau beschwert sich hinterher, dass sie sich zu billig hat einkaufen lassen.

Mehr Selbstbewusst-Sein, meine Lieben! Wenn es einen Tag oder eine Bewegung für mehr Bewusstsein, FÜR den eigenen Wert statt GEGEN die Benachteiligung gäbe, würde ich glatt meinen Coiffeur-Termin sausen lassen ;)

Aber im Ernst: Natürlich gibt es noch Benachteiligte auf dieser Welt und die unterstütze ich auch gerne. Nur habe ich gelernt, dass nicht alles, was auf den ersten Blick nach Benachteiligung aussieht, auch so wahrgenommen wird 

 

Kein Platz auf dem Landsgemeindeplatz

Gleich bei mir den Berg rauf ist das Appenzeller Land. In diesem Schweizer Kanton wurde sage und schreibe erst 1990 das Frauenwahlrecht eingeführt. Wenn ich das deutschen Freunden erzähle, sind die empört – und sofort fängt die Gender-Debatte wieder an. 

Dem liegt aber ein lange Tradition zu Grunde. In diesem Kanton wurde über alle Entscheidungen nämlich nicht mit einer Wahl abgestimmt, wie ihr sie wahrscheinlich kennt – so mit Wahlschein und Ankreuzen –, sondern per Handheben auf dem Landsgemeindeplatz. Das ist eine sehr klare, ehrliche Geschichte, weil jeder sich offen zu seiner Meinung bekennen muss. Aber diese Landsgemeindeplätze sind im Platz begrenzt. Da gab es auch Ängste, dass, wenn die Frauen auch noch dazu kommen, das ganze Prozedere abgeschafft wird.

Auch da gibt es nicht nur schwarz oder weiss. Die Meinungen und Erzählungen gehen deutlich auseinander. Die einen berichten darüber, dass die Männer vorher mit den Frauen besprachen, wie sie abstimmen sollen. Und dass in dieser scheinbaren Männerhochburg eigentlich die Frauen das Sagen hätten … Denn dort war das Zentrum der St. Gallener Hand-Stickkunst: Die Frauen verdienten so einiges an Geld dazu und manch eine hatte auch das Sagen bei den Finanzen: Sie haben entschieden, was gekauft wird und was nicht. Das tönt eher nach Matriarchat, auch wenn es nach außen hin nicht so aussah. 

Und genauso viele erzählen genau das Gegenteil. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. 

Übrigens, die weibliche wie auch die männliche Sichtweise in diesem speziellen Fall im Kanton Appenzell wird ganz gut im Film „Die göttliche Ordnung“ wiedergegeben. 

Also, meine Lieben, schaut genau hin. Inwiefern wir gleichberechtigt sind, könnte auch eine Frage des Bewusstseins sein. Wenn ich will, verlasse ich die Venus und komme auch vom Mars …

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