
Honigfalle Spaltung: Lasst euch nicht verführen!
Wenn ihr an die Geschichte der Menschheit denkt, dann wisst ihr so gut wie ich: Die Spaltung einer Gesellschaft in die „Guten“ und die „Bösen“ hat noch nie ein harmonisches Ende genommen. Und fast immer haben sich alle Beteiligten im Nachhinein gefragt, wie es denn überhaupt so weit kommen konnte, dass die Spaltung solche Ausmaße angenommen hat.
Wenn ich aktuell unsere Gesellschaft mit dem Blick eines Forschers, also so quasi unter die Lupe nehme, frage ich besorgt: Sind wir nicht wieder auf dem Weg dahin?
Alle Aufmerksamkeit für die Honigfalle
Was ich beobachte, ist nämlich, dass beim Thema Impfung ein tiefer Riss quer durch die kleinsten Einheiten unserer Gesellschaft geht – so wie bei dem Paar aus meiner nächsten Umgebung: Er ist Arzt und Gegner der Impfung, sie ist Apothekerin und glühende Befürworterin. Und was den beiden gleichermaßen komplett aus dem Blick geraten ist, sind ihre Gemeinsamkeiten. Dabei haben die beiden jede Menge Dinge, die sie verbinden, große und kleine.
Diese Spaltung ist mit die gefährlichste Honigfalle unserer Zeit: Sie lenkt in ihrer Macht alle Aufmerksamkeit auf sich, es bleibt kein Bewusstsein mehr für die vielen, vielen Gemeinsamkeiten, die die Menschen verbinden.
Dieser Verführung wirke ich entgegen, wo immer ich kann. Und ich merke, wie gut das den Menschen tut.
Die Überraschung im Konzert
Das funktioniert schon bei ganz unscheinbaren Begebenheiten: Wenn ich zum Beispiel am See spazieren gehe und Menschen an der gleichen Stelle stehen bleiben wie ich, dann halte ich inne und schaffe ihnen den Raum für die Verbundenheit.
Oder wenn ich jemanden bei einen Konzert treffe, von dem ich nie vermutet hätte, dass er diese Musik auch mag – und er nicht von mir: Das ist wow, weil wir dann uns gegenseitig überraschend in unserer Schönheit erkennen.
Ganz toll lässt sich das erleben bei uns im Städtli, wenn sich beim legendären Töfflibuabatreff Jung und Alt am See treffen.
Die Verbundenheit am See
Diese Veranstaltung bringt die unterschiedlichsten Menschen zusammen: den Unternehmer mit dem Philosophen und den Richter und dem jungen Auszubildenden. Alle zeigen stolz ihre alten Töffli (Mofa in deutsch), das sie teilweise vom Opa aus dem Schuppen geholt haben. Die Männer stehen fachsimpelnd um ihre Gefährte herum – alles andere ist in dem Moment egal. Diese Verbundenheit unter Menschen, die sonst nie miteinander reden würden, ist großartig.
Dieses Jahr kamen ganz besonders viele Menschen zu diesem Treffen: Der Wunsch nach Gemeinsamkeiten ist groß. Und es ist mir eine Freude, das zu unterstützen. Genauso wie diese zauberhafte Idee der Schwatzbänkli.
Eine Bank für die Polarität
Solche Bänke stehen beispielsweise in Chur und laden dazu ein, sich zu setzen und gleichzeitig zu sagen: „Ich bin bereit, dass sich jemand zu mir setzt.“ Diese Schwatzbänkli schaffen eine Verbindung zwischen Menschen. Sie stehen damit für das Gegenteil von Dualität, von dem Gut-Böse-Schema, von Spaltung: Wer sich auf eine dieser Bänke setzt, öffnet den Raum für Polarität, für die Vielfalt, für das Stärkende in der Gemeinsamkeit.
Das ist es, worauf wir unseren Fokus setzen sollten. Damit wir uns eben nicht von der Honigfalle der Spaltung zu etwas verführen lassen, was uns als Gesellschaft spaltet und schwächt.
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